Eine Runde um den BILSTER BERG mit Sally Erdmann
Sally Erdmann aus Holzhausen ist angehende professionelle Rennfahrerin. Die Leidenschaft für den Motorsport entdeckte die 20-Jährige bereits als Kind, als sie sich mit ihrem Bruder das Kartfahren auf einer Rennstrecke selbst beibrachte.
Als ihr Vater sie dann 2019 mit auf den BILSTER BERG nahm und sie in einem Radical, einem britischen Sportwagen, mitfahren durfte, sprang der Funke vollends über und entfachte den Wunsch, im professionellen Motorsport aktiv zu werden.
„Es dauerte kein halbes Jahr und ich saß mit einer Rennlizenz in der Tasche selbst auf dem Fahrersitz des Radical SR1“, erzählt Sally mit einem Funkeln in den Augen. „Hauptsächlich habe ich dann mit Steffen Helmert zwei Jahre bei Glinicke Motorsport auf dem BILSTER BERG trainiert, um am Radical SR1 Cup in England an den Start zu gehen. Im Jahr darauf habe ich es sogar bis in den GT-Sport geschafft, was einen Grundbaustein für meine Karriere gelegt hat. Im GTC Race und der NATC (Norddeutsche ADAC Börde Tourenwagen Cup) bin ich die Saison 2023 bei Seyffarth Motorsport in einem Audi R8 LMS GT4 gefahren. Für dieses Jahr trainiere ich in einer Langstreckenserie, der NES 500, mit einem Nissan 370Z und dem Team JLC-Racing, um meinem Traum, am 24h Rennen Nürburgring teilzunehmen, einen Schritt näher zu kommen.
©Alex Ahrens
Der BILSTER BERG ist immer noch ein wichtiger Ort für Sally Erdmann, denn hier trainiert sie regelmäßig mit ihrem Vater in einem Radical SR3 und bietet sogar Renntaxifahrten an, um Partnern und anderen Motorsportbegeisterten zu zeigen, wie atemberaubend diese Rennstrecke und der Motorsport sein kann.
„Meiner Meinung nach kann man das Gefühl, auf dem BILSTER BERG eine Runde zu fahren, nicht mit Worten beschreiben, man muss es erleben “, sagt Erdmann „Wenn ich es trotzdem in Worte fassen wollte, in einem Radical SR1 und bei trockenem Wetter, dann wohl so: Grundsätzlich variiert die Linie immer ein wenig, da man verschiedene Faktoren, wie das Fahrzeug und dessen Antrieb, Wetterbedingungen, Streckenbegebenheiten und das eigene Können beachten muss“, erklärt die Motorsportlerin.
Der Start
„In die erste Kurve fährt man mit relativ viel Geschwindigkeit. Hier orientiere ich mich auf die linke Seite der Strecke und nehme ungefähr das orangene Schild am Gitter des Streckenrandes als Bremspunkt. Mittig auf die Kurve einlenkend, peile ich den vorletzten Poller auf der Innenseite der Kurve an, um danach für die nächste Kurve gerade positioniert zu sein. Diesen leichten Linksknick durchfahre ich dann quasi gerade, um möglichst viel Geschwindigkeit mitzunehmen. Kurve 3 durchfährt man von links nach rechts über den flachen Curb. Da die Kurve relativ schnell gefahren werden kann, kommt man durch den Schwung in der Mitte der Fahrbahn an. Von dort aus geht es links über den flachen Curb auf eine kleine Gerade, die am besten über die gesamte Breite genutzt wird. Hier kann man sich teilweise soweit hinaustragen lassen, dass die Curbs rechts auf der Geraden ebenfalls überfahren werden“, beschreibt die Rennfahrerin den ersten Teil der Strecke.
Kurve 5 bis 9
„Bei Kurve 5 dienen die Poller auf der linken Seite zur Orientierung. Von ganz links wird nach rechts über den Curb so gefahren, als würde man auf den zweiten Poller der nächsten Kurve gerade zusteuern. Man betrachtet die Kurvenkombination quasi als Gerade, um möglichst wenig Lenkwinkel aufbringen zu müssen. Dann bleibt man an der Innenseite der Kurve und fängt nach den Steinen im Rasen an, zum Curb auf der rechten Seite der nächsten Kurve zu lenken. Kurve 7 und 8 werden dann wieder als Kurvenkombination gerade durchfahren. Wenn es über die Kuppe geht, orientiert man sich nach mittig rechts. Am Telegrafenbogen angekommen, sollte man viel Vertrauen haben, da das Banking in der Kurve hilfreich sein kann. So kann man meistens mit mehr Geschwindigkeit fahren, als man denkt, denn es drückt das Auto eher auf die Strecke, als von der Strecke runter“, erklärt sie den Rundkurs weiter.
Der Mittelteil
„Man kommt mittig aus Kurve 9 und bleibt einfach gerade, was dazu führt, dass man Kurve 10 gar nicht als Kurve, sondern wieder als Gerade nutzen kann. Die Curbs auf der rechten Seite helfen bei der Umsetzung. Über die Kuppe drüber, in die Kompression rein und erst dann wieder bremsen. Man sollte dann mittig auf der Strecke liegen. Es folgt die bekannte Mausefalle! Eine spannende Kurve, denn wenn man hier zu schnell ist oder falsch auf dem Gas steht, kann es schnell im Kiesbett enden. Es ist wichtig, die richtige Geschwindigkeit auf der Kuppe der Mausefalle zu haben, denn ab diesem Zeitpunkt wird nach links eingelenkt. Ungefähr ab Ende des Curbs kann man wieder anfangen zunehmend aufs Gaspedal zu gehen. So wird man auf die mittlere beziehungsweise rechte Seite der Bahn getragen. Dann heißt es mit Vollgas die Steilwand hoch und von der linken Seite über den Curb auf die kurze Gerade.Und noch ein kleiner Tipp: Über die Kuppe nicht das Gas lupfen, sonst wird das Fahrzeug sehr leicht. Kurz vor dem Clubhaus-S bleibt man dann lange rechts und nimmt möglichst viel Schwung mit in den ersten Knick. Hier orientiert man sich an den Pollern und ab dem letzten lässt man sich in das Clubhaus-S „gleiten“. Durch die beiden Kurven fährt man idealerweise gerade hindurch. Die rechten Reifen überfahren den rechten flachen Curb und die linken Reifen den linken. Aber Vorsicht vor den abgerundeten hohen Curbs!“
Endspurt
Die Durchfahrt des letzten Streckenabschnitts schildert Erdmann wie folgt: „Die Pömbser Höhe, die Gerade nach dem Clubhaus-S, ist relativ selbsterklärend: Schwung mitnehmen, rechts bleiben, Vollgas geben, und dann geht es direkt auf die Mutkurve zu. Auch hier gilt: Auf den Kuppen nicht das Gas lupfen. Für die Mutkurve braucht man tatsächlich etwas Mut. Von rechts angesetzt wird nach links bis zum Scheitelpunkt mit Schleppgas gefahren. Der Poller dient als Kennzeichen zur Beschleunigung. Auf die rechte Seite rausgetragen, muss man dann wechseln, um den Curb links ordentlich zu treffen. Kurve 18 wird nämlich wieder so gerade wie möglich durchfahren, damit man möglichst wenig Lenkbewegung benötigt. Für die letzte Kurve, die Oeynhausen-Kehre, gibt es verschiedene Herangehensweisen. Ich bevorzuge es, den rechten Curb bis zum Ende zu nutzen, um dann eng in die letzte Kurve zu stechen. So kommt man auf die Start-Ziel-Gerade zeigend an und kann recht schnell wieder auf dem Gas stehen. Und dann heißt es üben, üben, üben und immer sicherer mit der Strecke werden.“
©Alex Ahrens
Da der Motorsport ohne Unterstützung nicht möglich ist, ist die 20-Jährige aktuell auf Sponsorensuche. Allerdings, sagt sie, ist es sehr schwierig geworden, Firmen den Mehrwert von Motorsport nahezubringen. Außerdem werde man als Frau in diesem Sport häufig belächelt, was die Sponsorensuche zusätzlich erschwert. Seit letzten Jahr wird Sie deshalb von Foto- und Videograf, Alex Ahrens, hinsichtlich der Außendarstellung und im Bereich PR unterstützt.
„Es geht nicht nur darum, ein Aufkleber auf einem Rennfahrzeug zu sein, sondern gemeinsam zu wachsen und eine Historie aufzubauen“, erklärt Erdmann.
Für die Zukunft plant die 20-Jährige am 24h-Rennen auf dem Nürburgring mitzufahren.
„Damit würde ein großer Traum für mich in Erfüllung gehen!“
©Alex Ahrens